Der Heilige Geist und die Ökonomie II

Der Heilige Geist und die Ökonomie II

Er sagte aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Haushalter; und dieser wurde bei ihm verklagt, dass er ihm den Besitz verschleudere. Und er liess ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich da über dich? Lege Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Denn du kannst nicht mehr Haushalter sein. Da sagte der Haushalter bei sich selbst: Was soll ich tun, da mein Herr mir die Verwaltung nimmt? Graben kann ich nicht; zu betteln schäme ich mich. Ich weiss, was ich tun will, damit sie, wenn ich von der Verwaltung abgesetzt bin, mich in ihre Häuser aufnehmen. Und er liess jeden einzelnen der Schuldner seines Herrn zu sich rufen und sagte zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der antwortete: hundert Bath Oel. Da sagte er zu ihm: Nimm hier deinen Schuldschein, setz dich schnell hin und schreibe: fünfzig. Darnach sagte er zu einem andern: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der antwortete: hundert Kor Weizen. Er sagte zu ihm: Nimm hier deinen Schuldschein und schreibe: achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Haushalter, dass er klug gehandelt habe. Denn die Söhne dieser Welt sind ihrem Geschlecht gegenüber klüger als die Söhne des Lichts. Und ich sage euch: Machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit sie, wenn er euch ausgeht, euch aufnehmen in die ewigen Hütten!
Luk 16,1-9

Liebe Gemeinde Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit; einsichtig handelt, wer danach tut, sein Ruhm bleibt ewig bestehen. So steht es in Ps 111, und wir tun gewiss gut daran, diese Einsicht, wenn es um die Frage nach dem klugen Umgang mit begrenzten Ressourcen geht, von Anfang an in unsere Mitte zu stellen. Denn wer die Furcht des Herrn in seine Mitte stellt, hat den Raum und die Zeit, die Dinge, so wie sie sind, in sich zu empfangen, und von sich her zu schaffen; wer die Furcht des Herrn in seine Mitte stellt, ist offen und frei, den Selbstwert der Dinge, den sie im Laufe der Zeit erhalten haben, anzuerkennen und zur Geltung zu bringen, ohne sie bloss als Mittel zu einem Zweck zu betrachten; wer die Furcht des Herrn in seine Mitte stellt, hat die Weisheit, begrenzte Ressourcen dankbar wahrzunehmen und respektvoll zu nutzen. Die Furcht des Herrn ist – um an die Worte, die ich vor zwei Wochen in meiner Pfingstpredigt benutzt habe, zu erinnern – Gegenwart des Heiligen Geistes und Verwirklichung der „Ökonomie ohne Ökonomie“. Diese Perspektive soll im Folgenden wegleitend bleiben. Die Frage, was ein kluger Umgang mit begrenzten Ressourcen ist, steht also zur Diskussion. Was diese Ressourcen sind, spielt keine Rolle. Wir können an die Bodenschätze dieser Erde denken, an die ökologischen Vorzüge dieses Planeten, an Güter unserer Gesellschaft wie Sicherheit, Wissen und Wohlstand oder an menschliche Qualitäten wie Gesundheit, Bildung und Humor, oder einfach daran, dass wir Zeit haben, Lebenszeit. All dies sind Ressourcen, und sie alle gibt es auf dieser Erde in einer begrenzten Menge. Sie klug zu nutzen, ist deshalb angezeigt. Und so stellt sich die Frage, was das heisst. Unser Predigtgleichnis gibt auf diese Frage eine Antwort.
Im Zentrum dieses Jesusgleichnisses steht ein Haushalter, der den Besitz eines reichen Mannes verwaltet. Diesem Haushalter wird vorgeworfen, dass er den ihm anvertrauten Besitz verschleudere. Er steht deshalb vor der Kündigung. Die Zeit, die ihm in seiner bisherigen Arbeitsstelle bleibt, ist die Ressource, die er noch hat. Denn er geht davon aus, dass er, wie er sagt, nicht graben kann, also zur praktischen Arbeit nicht taugt, und dass er sich zu betteln schämt, also Sozialhilfeempfänger nicht werden will. Um aus dieser misslichen Situation das Beste zu machen, entschliesst er sich, seine einzige noch verbleibende Ressource auszureizen: Er lässt die Schuldner seines Herrn zu sich kommen und gibt ihnen die Möglichkeit, die Schuldscheine, die beim Herrn deponiert sind, zu ihren Gunsten zu manipulieren. Allerdings tut er dies mit einer versteckten Absicht. Er geht nämlich davon aus, dass er sich auf diese Weise bei den Schuldnern Sympathien erkauft, die ihm dann, wenn er seine Arbeit verloren hat, von Nutzen sein könnten, indem sie ihn in ihre Häuser aufnehmen und nicht auf der Strasse stehen lassen. Ob diese Rechnung aufgehen wird, ist natürlich offen, aber sie ist die Hoffnung, die er hat, um vielleicht doch noch einen „goldenen Fallschirm“ zu erhalten. Freilich ist auch klar, dass sein Vorgehen kriminell ist; denn er verfügt in eigenem Interesse über fremdes Gut und betrügt auf diese Weise seinen Herrn. Die grosse Überraschung des Gleichnisses ist nun aber, dass er für dieses Verhalten vom Herrn nicht bestraft, sondern gelobt wird. Der Herr nämlich schenkt der Tatsache, dass er rechtswidrig gehandelt hat, überhaupt keine Beachtung und stellt nur anerkennend fest, dass sein Verhalten klug war. Um diese überraschende Reaktion des Herrn nachvollziehbarer zu machen, fügt das Gleichnis deshalb eine Erläuterung an. Erstens stellt es fest, dass die Söhne dieser Welt gegenüber Ihresgleichen klüger sind als die Söhne des Lichts, und zweitens gibt es den Rat, mit dem ungerechten Mammon Freunde zu machen, damit diese, wenn er ausgeht, bereit sind, ihre ewigen Hütten für ihre notleidenden Freunde zu öffnen. Was ist das nun für eine Erläuterung?! Auch sie stellt nicht das kriminelle Verhalten des Haushalters in den Vordergrund. Rechtliche Fragen spielen überhaupt keine Rolle. Mit einer bemerkenswerten moralischen Offenheit nimmt sie stattdessen wahr, was in der Welt geschieht: dass der Haushalter von seinem Herr nicht bestraft, sondern für sein kluges Verhalten gelobt wird. Sie erklärt dies damit, dass hier zwei Söhne der Welt aufeinander getroffen sind, die wissen, wie „es“ in der Welt geht, deshalb deren Klugheit kennen und anerkennen. Es ist bemerkenswert, dass die Erläuterung des Gleichnisses in der Lage ist, dies so wertfrei und ohne Abwertung der Welt zum Ausdruck zu bringen. Die Erläuterung geht sogar noch einen Schritt weiter, indem sie dazu auffordert, von dieser Beobachtung zu lernen. Allerdings steht auch hier nicht das kriminelle Verhalten des Haushalters im Vordergrund. Die Erläuterung fordert nicht dazu auf, es diesem gleich zu tun, und sie gibt keine Legitimation, korrupt werden zu dürfen, Geld zu veruntreuen oder Schmiergelder zu bezahlen. Nicht die kriminelle Methode des Haushalters rät die Erläuterung zur Übernahme, sondern das Ziel, das er anstrebt: das Geld dafür einzusetzen, Freunde zu machen. Sie gesteht freilich zu, dass so investiertes Geld nicht selbstlos sein muss, sondern hält fest, dass die Freunde, die man auf diese Weise gewinnt, von Nutzen sein können. Das aber heisst doch, dass die Söhne des Lichts gut daran tun, von den Söhnen der Welt zu lernen, wie sie ihr Geld nützlich einsetzen sollen. Zwar sind nicht alle Mittel zum Erreichen der Zwecke geheiligt, aber über die Zwecke kann man sich einigen.
Was bedeutet dies alles nun für uns heute? Zunächst ist bemerkenswert, dass das Gleichnis samt seiner Erläuterung nicht von einer wie auch immer ideologisch gefärbten Moral geleitet ist, die der Ökonomie der Welt wertend gegenübersteht, sondern offen und genau beobachtet, wie diese funktioniert und darauf aus ist, innerhalb ihres Ansatzes zu argumentieren. Glauben wird also nicht antiökonomisch gedeutet, sondern als etwas, das sich ökonomisch bewähren muss, deshalb gegenüber ökonomischen Fragen weder naiv noch voreingenommen ist, sich keine ideologischen Scheuklappen aufsetzt, stattdessen aber die Ökonomie der Welt genau aufnimmt und sich im Rahmen von deren Kalkül zur Geltung bringt. Dies allein impliziert schon vieles… Allerdings deckt das Gleichnis auch die Präferenzen auf, die seine Ökonomie leiten: die Steigerung des Humankapitals. Wenn die Knappheit der Ressourcen aufdringlich wird, dann sind gute Beziehungen zu andern Menschen das Nützlichste, das bleibt. Es ist deshalb klug, die knappen Mittel zu nutzen, um aus Menschen Freunde zu machen. Das Gleichnis legt Wert darauf, diese Einsicht aus der weltlichen Ökonomie für die Glaubensökonomie zu nutzen. Wichtig ist für die Glaubensökonomie deshalb, dass man sich 1. bewusst ist, dass die vorhandenen Ressourcen begrenzt sind, daher ein kluger Umgang mit ihnen nötig ist und andere Menschen nicht aus Leichtsinnigkeit, Frustration oder Dummheit vor den Kopf gestossen werden sollen; 2. dass man gut daran tut, nicht in erster Linie in die Steigerung der Geldmittel, sondern in die Beziehung zu Menschen zu investieren; 3. schliesslich, dass dies keine Legitimation für korruptes oder kriminelles Verhalten einschliesst. Fasst man diese Einsichten der Glaubensökonomie aus der Ökonomie der Welt zusammen, kann man schlicht und einfach feststellen, dass es ökonomisch sinnvoll ist, seine Ressourcen sorgfältig für andere Menschen einzusetzen. So selbstverständlich diese Aussage klingt, wir wissen alle, wie wenig selbstverständlich sie im täglichen Leben ist. Die Versuchung, die Knappheit der Ressourcen zu verdrängen, wirtschaftliche Überlegungen beiseite zu stellen und an unbeschränkte Möglichkeiten jenseits von jedem Kalkül zu „glauben“, lauert uns ebenso auf wie diejenige, vor lauter Sparen nicht das Wohl des Menschen, sondern nur die Steigerung der eigenen Geldmittel zu sehen. Von der Versuchung, Ressourcen unrechtmässig für sich selbst zu veruntreuen, ganz zu schweigen. Es ist viel Disziplin nötig, Ressourcen wirklich sorgfältig in andere Menschen zu investieren. Der Weg, dies zu üben, ist – und damit komme ich auf den Ausgangspunkt meiner Predigt zurück – „die Furcht des Herrn“. Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit, die Freiheit des Glaubens, die Kreativität des Geistes, dasjenige, was uns ermöglicht, in der Ökonomie ohne Ökonomie zu handeln, also alles, auf seinen Nutzen hin zu berechnen, aber die Konsequenzen aus der Berechnung unbefangen zu ziehen; die Härte und Rationalität des ökonomischen Kalküls aufzunehmen, aber sorgfältig das Wohl des Menschen zu fördern; die Ressourcen in ihrer Begrenztheit genau zu erfassen, sie aber mit Herz zu investieren. Die Furcht des Herrn ist deshalb der innere Raum, der uns die Aufrichtigkeit gibt, dankbar und respektvoll zu nutzen, was uns gegeben ist. Beten wir also, dass diese in uns wachse und wir lernen, aus den Gütern der Erde das Beste zu machen. Amen.

Predigt vom 10. Juni 2007 in Wabern
Bernhard Neuenschwander

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