Die Vorbereitung auf die Liebe zwischen Himmel und Erde

Die Vorbereitung auf die Liebe zwischen Himmel und Erde

Dann wird das Reich der Himmel zehn jungen Frauen gleich sein, die ihre Fackeln
nahmen und dem Bräutigam entgegengingen.
Fünf aber von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nämlich
nahmen ihre Fackeln und nahmen kein Oel mit sich. Die klugen dagegen nahmen
ausser ihren Fackeln Oel in ihren Gefässen mit. Doch als der Bräutigam ausblieb,
wurden sie schläfrig und schliefen ein.
Mitten in der Nacht aber erschallte ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam ! Gehet
hinaus, ihm entgegen! Da erwachten alle jene jungen Frauen und rüsteten ihre Fackeln.
Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebet uns von eurem Oel, denn unsre Fackeln
verlöschen ! Da antworteten die klugen: Es möchte für uns und für euch nicht reichen;
gehet vielmehr zu den Krämern und kaufet euch !
Während sie aber hingingen, um zu kaufen, kam der Bräutigam; und die, welche
bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Türe wurde verschlossen.
Später kamen dann auch die übrigen jungen Frauen und sagten: Herr, Herr, öffne uns!
Er aber antwortete und sprach: Wahrlich, ich sage euch: ich kenne euch nicht.
Darum wachtet ! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.
Mat 25,1-13

Liebe Gemeinde
Wie kommt uns Christus in diesem Advent entgegen ? Wie kommt derjenige, der die
Verbindung von Himmel und Erde verkörpert in diesem Jahr zu uns ? Wie nimmt
derjenige, der die Weisheit ist, aus welcher unsere Wirklichkeit wird, was sie in Wahrheit
ist, hier und heute bei uns Gestalt an ? Jedes Jahr stellt sich uns diese Frage in der
Adventszeit. Jedes Jahr werden wir in der Adventszeit daran erinnert, dass wir als
Glaubende von dieser Frage nicht loskommen. Jedes Jahr macht sie uns in der
Adventszeit bewusst, dass sie die eigentliche Schlüsselfrage ist, die unseren Glauben in
jedem Moment das werden lässt, was er ist. Vertiefen wir uns also in diese Frage !
Unser Gleichnis von den 10 jungen Frauen wird uns dabei helfen.
Es ist gar nicht so einfach, sich klar zu werden, wie man sich die Geschichte, die das
Gleichnis erzählt, vorzustellen hat. Worum geht es ? Festgehalten wird zunächst, dass
das Himmelreich zehn jungen Frauen gleich sei, die ihre Fackeln nehmen und dem
Bräutigam entgegengehen. Dieser Eingangssatz markiert das Thema, um welches es im
Folgenden geht: um das Himmelreich, das ist wie die Vorbereitung auf eine Hochzeit.
Die Handelnden, welche die Hochzeitsvorbereitung zum Ausdruck bringen, sind zehn
junge Frauen. Mit ihnen hat man sich als Hörender der Geschichte zu identifizieren;
über ihre Vorbereitung auf den Bräutigam hat man nachzudenken; mit ihnen hat man
den Bräutigam zu erwarten. Dabei wird man sich den Bräutigam als jemanden
vorzustellen haben, der den jungen Frauen zwar von früher bekannt ist, von ihnen
jedoch erst mit der Hochzeit als Bräutigam erkannt werden wird. Er ist für sie eine
bekannt–unbekannte Grösse, die als solche die Erwartungshaltung und die Frage der
Vorbereitung aufbaut. Damalige Hörer des Gleichnisses werden sich vorgestellt haben,
dass es sich bei den zehn jungen Frauen um Freundinnen der Braut handelt, welche im
Haus der Braut mit der Braut zusammen darauf warten, dass diese vom Bräutigam
abgeholt und in sein Haus geführt werden, und dass die zehn jungen Frauen dabei die
beiden auf ihrem Weg vom Haus der Braut zum Haus des Bräutigams mit ihren
brennenden Fackeln begleiten. Soweit die Rahmenhandlung.
Das Gleichnis erzählt nun, dass von den zehn jungen Frauen fünf töricht und fünf klug
sind. Töricht sind die fünf Frauen nämlich, weil sie zwar je eine Fackel mit einem
brennbaren Tuch um einen Holzstab vorbereiten, jedoch nicht daran denken, dass sie
auch Öl benötigen werden, mit welchem sie dieses Tuch immer wieder tränken können,
so dass es nicht gleich ganz verbrennen wird. Die klugen fünf Frauen hingegen bereiten
sich sorgfältig genug vor und nehmen Öl in Gefässen mit, so dass sie in der Lage sein
werden, die Fackeln am Brennen zu halten. Erzählstrategisch führt die
Gegenüberstellung der beiden Frauengruppen dazu, sich als Hörer mit den klugen
Frauen zu identifizieren, sich an ihrem Verhalten zu orientieren, an ihrem Schicksal
teilzunehmen und zu verstehen, dass es nicht darum geht, so zu sein wie die törichten
Frauen. Die Gegenüberstellung der törichten und klugen Frauen ist insofern eine
Ermutigung, darauf zu vertrauen, dass man sich durchaus klug verhalten kann und nicht
töricht zu sein braucht.
Ohne dass dies als grösseres Problem markiert wird, erzählt das Gleichnis, dass sich
das Kommen des Bräutigams verzögert, dass alle zehn jungen Frauen schläfrig werden
und im Haus der Braut zu schlafen beginnen. Obwohl also die zehn jungen Frauen den
Bräutigam erwarten, behalten sie die Ruhe, vor seinem Kommen gelassen zu schlafen
und sich darauf zu verlassen, dass sie dann, wenn es soweit sein wird, schon parat sein
werden. Mir gefällt das Vertrauen dieser zehn Frauen !
Mitten in der Nacht, der Moment lässt sich nicht genau voraussagen, ist es soweit: Mit
grossem Geschrei werden das Kommen des Bräutigams angekündet und die zehn
jungen Frauen dazu aufgefordert, zum Haus hinaus- und dem Bräutigam entgegen zu
gehen. Als die zehn Frauen dies zu tun unternehmen und ihre Fackeln anzünden,
müssen die törichten feststellen, dass die Tücher an ihren Fackeln ohne Öl rasch
verbrennen und die Fackeln verlöschen. Sie bitten deshalb die klugen, ihnen vom Öl zu
geben. Weil die klugen jedoch nicht soviel mitgebracht haben, dass es für alle reichen
würde, weisen sie die Bitte der törichten ab und fordern sie auf, sich welches beim
Krämer zu kaufen. Die klugen Frauen behalten also auch in dieser Situation einen
klaren Kopf, können abwägen, was möglich und was unmöglich ist und lassen sich nicht
dazu hinreissen, auf etwas einzusteigen, das nicht geht. Man wird ihnen deswegen nicht
Hartherzigkeit oder mangelnde Solidarität vorwerfen, sondern einfach feststellen, dass
sie realistisch sind.
Nun aber beginnt sich die Situation zuzuspitzen. Während nämlich die törichten Frauen
auf dem Weg zum Krämer sind, kommt der Bräutigam, holt die Braut, und alle
Anwesenden gehen zum Haus des Bräutigams zur Hochzeit. Überraschend, und zwar
auch für damalige Ohren überraschend, wird festgehalten, dass die Tür zum Haus der
Bräutigams verschlossen wird. Üblich war, dass die Tür bei Hochzeiten offen blieb und
ein reges Kommen und Gehen war. Das Verschliessen der Tür hat hier also einen
besonderen Sinn: es kündet die tragische Wendung an, die den törichten Frauen
bevorsteht. Und tatsächlich: als diese doch noch beim Haus ankommen und den
Bräutigam bitten, ihnen zu öffnen, weist er sie mit der harschen Bemerkung ab:
Wahrlich, ich sage euch: ich kenne euch nicht. Das ist hart und schockierend. Der
Bräutigam nimmt keine Rücksicht darauf, dass er hier Freundinnen seiner Braut
abweist, dass diese mitten in der Nacht viel gelaufen sind, um doch noch zu ihrem Öl zu
kommen und dass er ein Freudenfest feiert, das durch eine so harte Ausgrenzung
gewiss nicht freudvoller wird. Aber offenbar will es die Erzählung so, dass gegenüber
den positiven Folgen des Klugseins auch die negativen des Törichtseins deutlich
werden. Nicht um Angst zu machen; denn die Erzählung ermutigte ja dazu, sich mit den
klugen Frauen zu identifizieren. Aber doch als Warnung, die Vorbereitung auf die
Hochzeit nicht allzu leichtfertig zu nehmen. Nur wer vorbereitet ist, darf an die Hochzeit
und – so wird man aus dem ablehnenden Nichtkennen schliessen müssen – nur wer
vorbereitet ist, wird vom Bräutigam hochzeitlich erkannt. Der Schlusssatz hält
entsprechend fest, sich wachsam vorzubereiten, weil weder Tag noch Stunde des
Kommens des Bräutigams bekannt sind. Dass dies das gelassene Schlafen nicht aus-,
sondern einschliesst, haben wir gehört. Stress ist keiner nötig, es ist durchaus genug
Zeit vorhanden. Aber man soll wachsam sein, die Zeit, die man für die Vorbereitung hat,
zu nutzen.
Soweit das Gleichnis. Ich denke, dass wir uns die Situation einigermassen vorstellen
können und verstehen, was erzählt wird. Was aber können wir heute, hier und jetzt, in
der Adventszeit, mit dieser Geschichte machen ? Natürlich handelt es sich um eine alte
und für unsere Ohren einigermassen seltsame Geschichte, die einiges an
Einfühlungsvermögen verlangt, um sie überhaupt nachvollziehen zu können. In der
Alten Kirche und auch im Mittelalter war sie noch sehr beliebt. In vielen mittelalterlichen
Kirchen findet man künstlerische Darstellungen der zehn jungen Frauen. Aber was kann
uns dieses Gleichnis heute sagen ?
Selbstverständlich gibt es viele Möglichkeiten. Sollen wir uns heute fragen, was die
Fackeln und das Öl symbolisieren ? Traditioneller Weise wird das Gleichnis so gedeutet.
Dann kann man z. B. mit vielen Kirchenvätern und der typisch katholischen Auslegung
feststellen, dass die Fackeln das Feuer der Liebe sei und das Öl die guten Werke, dass
es also darauf ankomme, nicht nur Liebe zu spüren, sondern Liebe auch zu leben. In
der augustinisch – protestantischen Tradition wird der gleiche Gedanke umgedreht und
gesagt, dass die Fackeln die guten Werke sind, dass diese aber ohne das Öl der Liebe
rasch verlöschen. Die Botschaft lautet dann, dass die Klugen darauf achten sollen, dass
sie nicht nur Gutes tun, sondern dass sie es aus Liebe tun. Für mich ist weder die eine
noch die andere Deutung überzeugend. Wenn sich das Gleichnis auf diese Botschaft
reduzieren liesse, hätte man sie auf andere Weise einfacher und klarer vermitteln
können. Ich möchte deshalb nicht diesem Weg folgen.
Interessanter ist für mich ein Einstieg beim zusammenfassenden Eingangsatz: das
Himmelreich ist wie die Vorbereitung auf eine Hochzeit. Man muss deswegen ja nicht
ausschliessen, dass das Himmelreich auch wie die Teilnahme an einer Hochzeit ist,
jedoch die Erwartung ihrer Durchführung betonen. Die Erwartung aber ist das Stehen in
der Frage: Wie wird die Hochzeit sein ? Wie wird der Bräutigam sein ? Wie wird die
Liebesvereinigung mit ihm sein ? Es ist durchaus denkbar, dass man hier und jetzt, in
jedem Moment, etwas davon erlebt, wie die Antwort auf diese Frage lauten könnte.
Sicher und definitiv wird freilich nicht Antwort, sondern immer nur die Frage sein.
Dietrich Bonhoeffer, ein grosser Theologe des 20. Jahrhunderts, dessen 100.
Geburtstag wird dieses Jahr gefeiert haben1, hat sich immer wieder von einer
Schlüsselfrage leiten lassen, von der Frage: Wie nimmt Christus hier und heute Gestalt
an ? Im einzelnen Menschen, in der Kirche, in der Welt. Für ihn war diese Frage der
1 Weitere Informationen zu Dietrich Bonhoeffer finden sich in meinem, am 7.11.2006 in Bern gehalten
Vortrag: Ethik im Vorletzten – ein Gespräch mit Dietrich Bonhoeffer (vgl. www.ritualart.ch / Publikationen).
Ausgangspunkt des Glaubens, an welchem wir als Glaubende immer stehen. Er
bestreitet keineswegs, sondern zielt vielmehr darauf hin, dass die Antworten zu
verschiedenen Zeiten, für verschiedene Menschen und Gruppen und in verschiedenen
Kulturen differieren, dass die Frage jedoch immer dieselbe bleibt. Diese Einsicht
Bonhoeffers ist auch der Schlüssel zu unserem Gleichnis.
Das Gleichnis von den zehn jungen Frauen stellt uns nämlich in genau diese Frage.
Christus, der Messias, die Verbindung von Himmel und Erde, die Weisheit, aus welcher
unsere Wirklichkeit wird, was sie in Wahrheit ist, können wir nicht abschliessend kennen
und definieren, wohl aber als Frage wach halten und erwarten wie eine Braut das
Kommen ihres Bräutigams erwartet. Wir sollen klug sein, dass wir dafür sorgen, uns
ganz dabei zu haben und nicht dann, wenn es soweit ist, Dingen nachrennen zu
müssen, die uns fehlen; denn das Ziel ist, dass wir alle uns ganz auf die Hochzeit
einlassen und ihre Verwirklichung zum Leuchten bringen können. Wir sollen also unsere
Zeit nutzen, dass wir alles, was wir sind, beisammen haben, dass wir nicht Teile von uns
aus Begehrlichkeiten oder Ängsten irgendwo in unserer Biographie, in unserer
Geschichte, vergessen, und dass wir nicht dann, wenn es soweit ist, von diesen
vergessenen und unverarbeiteten Teilen in Beschlag genommen werden und das
grosse Fest verpassen. Wir sollen deshalb wachsam sein, dass wir unsere Klugheit
nutzen, um ganz an Leib, Seele und Geist in der Erwartung der Hochzeit da, im Hier und
Jetzt präsent, zu sein.
Deutet man das Gleichnis auf diese Weise, bleibt es gerade als Gleichnis wichtig. Als
Gleichnis ist es immer nur vorläufig und nicht die Verwirklichung des Himmelreichs
selbst. Aber es hält die Erwartung wach und die Frage gegenwärtig: Wie nimmt Christus
in meinem Leben, im Leben der Kirche, im Leben der Welt Gestalt an ? Wie geschieht
die Hochzeit zwischen Himmel und Erde bei uns ? Wie geschieht sie in jedem Moment
des Lebens von uns Menschen ? Wie geschieht das Himmelreich, das ist wie diese
Hochzeit, hier und jetzt ? Jede Art von fundamentalistischem oder moralischem
Festhalten von Wahrheiten, Normen oder Regeln ist damit unterlaufen, weil nicht die
Antwort, sondern die Frage definitiv ist. Sogar Jesus Christus ist so gesehen nicht die
definitive Antwort, um die herum man ein definitives Set von ideologischen oder
moralischen Antworten bauen könnten, sondern nicht mehr, aber auch nicht wenige als
die Frage bzw. das Grundgleichnis des Himmelreichs, das als solches immer wieder
dazu auffordert, nach seiner konkreten Realisierung im Hier und Jetzt zu suchen. Umso
mehr aber ist Christus uns als solches ins Herz gegeben, und umso mehr erinnert er
uns mit jedem Herzschlag an die eine Frage: an die Frage, wie wir so wachsam sein
können, dass wir hochzeitsfähig werden; wie wir so wachsam sein können, dass wir
ganz in der Erwartung des Bräutigams da sind; wie wir so wachsam sein können, dass
wir die weise Verbindung von Himmel und Erde in unserem Leben wahrnehmen und
gestalten; wie wir so wachsam sein können, dass wir das Himmelreich auf der Erde zur
Geltung bringen. Beten wir deshalb, dass wir unser Herz vom Feuer dieser Frage
anstecken lassen und so wachsam bleiben, dass wir dann, wenn die Liebe kommt, frei
und ohne Altlasten auf sie einsteigen können. Amen.

Predigt vom 03. Dezember 2006 in Wabern
Bernhard Neuenschwander

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