The Holy Spirit and economics I

The Holy Spirit and economics I

Er sagte aber dieses Gleichnis: Es hatte jemand einen Feigenbaum, der in seinen Weinberg gepflanzt war; und er kam und suchte Frucht an ihm und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, drei Jahre sind’s, seit ich komme und an diesem Feigenbaum Frucht suche und keine finde. Haue ihn um! Wozu soll er noch das Land unbrauchbar machen? Doch der antwortete und sagte zu ihm: Herr, lass ihn noch dieses Jahr, bis ich um ihn her gegraben und Dünger gelegt habe; und wenn er in Zukunft Frucht bringt, so ist’s gut – sonst magst du ihn umhauen lassen.
Luk 13,6-9

Liebe Gemeinde
Ob es uns gefällt oder nicht, es ist einfach so: Unser Leben ist nachhaltig vom ökonomischen Kalkül bestimmt. Mögen wir unsere Augen vor dieser Tatsache noch so gerne verschliessen, mögen wir uns daran erinnern, wie viel wir unentgeltlich leisten und wie viel wir von Herzen tun, ohne nach Lohn zu fragen, so müssen wir doch zugeben, dass wir unser Verhalten normalerweise danach ausrichten, was demjenigen, was uns wichtig ist, nützt. Unsere Präferenzen können durchaus verschieden sein. Dem einen ist die berufliche Karriere wichtig, dem andern die Familie; dem einen sind materielle Güter erstrebenswert, dem andern geistige; dem einen ist gar nicht so klar, was er eigentlich will, dem andern steht das Ziel eindeutig vor Augen. So verschieden diese Präferenzen sind, die wir verfolgen, so wenig verschieden ist hingegen, wie wir sie handhaben: Wir tun einfach das, von dem wir glauben, dass es ihnen am besten entspricht. Dies aber ist genau das ökonomische Kalkül, die Rechnung nämlich, die wir mehr oder weniger bewusst anstellen, um herauszufinden, wie wir im Angesicht von knappen Ressourcen unseren Nutzen gegenüber sich konkurrenzierenden Zielen maximieren können, oder, um dasselbe etwas einfacher und weniger technisch zu sagen, wie wir das Beste aus unserem Leben machen können. Wenn wir uns selber gegenüber ehrlich sind, kommen wir kaum darum herum, zuzugeben, dass dies eine Leitfrage unseres menschlichen Verhaltens ist.1 Es ist nicht meine Absicht, dies zu kritisieren. Denn offensichtlich ist diese Leitfrage nicht nur biologisch überlebenswichtig, sondern auch lebenspraktisch sinnvoll, ja, es ist doch sogar weise, wenn man in der Lage ist, aus seinem Leben das Beste zu machen. So unromantisch und herzlos uns der ökonomische Ansatz auf den ersten Blick erscheinen mag, so sehr tun wir gut daran, ihn ernst zu nehmen und in guter Weise handhaben zu lernen. Der Glaube kann uns hierfür eine grosse Hilfe sein. Der ökonomische Ansatz lässt sich in der Bibel auf Schritt und Tritt finden. Denken wir nur an die unzähligen Texte, die vom Lohn des ewigen Lebens handeln, den wir Menschen für ein bestimmtes Verhalten gewinnen. Oder an viele Gleichnisse. Auch unser Predigtgleichnis ist durch und durch von diesem Ansatz geprägt.
Im Zentrum dieses Jesusgleichnisses steht ein Feigenbaum, der in einen Weinberg gepflanzt ist. Dass Feigenbäume in Weinberge gepflanzt sind, ist für damalige Verhältnisse nichts Besonderes. Jesus erzählt, dass der Besitzer dieses Weinbergs drei Jahre lang zu dem Feigenbaum kam, Früchte suchte und keine fand. Enttäuscht sagte er deshalb zum Winzer, den er für den Weinberg angestellt hatte, er solle den Baum umhauen, denn der Baum mache bloss das Land unbrauchbar. Was das Gleichnis also bis zu diesem Punkt erzählt, ist nichts weiter als
1 Zur Bedeutung des ökonomischen Ansatzes möchte ich hier verweisen auf das anregende Werk von Gary S. Becker (1993): Ökonomische Erklärung menschlichen Verhaltens, Tübingen, 2. Auflage.
gewöhnliches Alltagsgeschehen. Überraschend ist erst die Reaktion des Winzers. Dieser nämlich setzt sich für den Feigenbaum ein und bittet den Weinbergbesitzer, dem Baum ein weiteres Jahr zu geben, damit er noch einmal die Chance hat, Früchte zu tragen. Der Winzer verpflichtet sich zudem, für den Baum Arbeit zu leisten, nämlich den Boden um den Baum aufzulockern und ihm Dünger zu geben. Dies ist für damalige Verhältnisse keineswegs selbstverständlich, sondern Ausdruck eines überdurchschnittlichen Engagements des Winzers für den Baum. Allerdings ist auch die Einsatzbereitschaft des Winzers begrenzt. Er akzeptiert, dass der Weinbergbesitzer den Baum umhauen lässt, wenn dieser nach seinem Einsatz keine Früchte trägt. Wir sehen es sofort: Sowohl dem Weinbergbesitzer als auch dem Winzer ist klar, dass der Baum nur eine Daseinsberechtigung hat, wenn er Früchte trägt. Denn beide sind sich darin einig, dass er dann, wenn er dies nicht tut, nur den wertvollen Boden im Weinberg unbrauchbar macht. Die ökonomische Frage der Nutzenmaximierung bei knappen Ressourcen ist also ohne jede Einschränkung wegleitend. Offen ist bloss, auf welchem Weg dieses Ziel am besten erreicht wird. Am meisten Gewinn, aber auch am meisten Risiko birgt die Variante, dem Baum noch einmal eine Chance zu geben. Die Alternative, ihm diese nicht zu geben und den Baum zu fällen, nimmt für eine bestimmte Zeit eine Ertragseinbusse in Kauf, aber rechnet damit, in absehbarer Zeit wieder eine fruchttragende Pflanze zu haben. Es bleibt eine Frage des Ermessens, welche Variante nutzbringender ist. Das Gleichnis erzählt daher nicht, welche Entscheidung der Weinbergbesitzer trifft. Es stellt bloss heraus, dass er in dieser Wahl steht. Wie sollen wir nun dieses Gleichnis interpretieren? Gehe ich vom biblischen Kontext aus, überzeugt mich am meisten, wenn wir nicht vom nüchternen Kalkül des Weinbergbesitzers oder vom Engagement des Winzers ausgehen, sondern von der Unfruchtbarkeit des Baumes, und wenn wir diese auf Situationen unseres Alltags beziehen. Wir alle werden Situationen kennen, in denen wir nur wenige oder gar keine Früchte bringen. Wir unternehmen zwar alles, was wir meinen tun zu müssen oder tun zu können, um unsere Lebenssituation zu verbessern, aber Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis zueinander, und der Erfolg ist trotz viel Mühe und Anstrengung ungenügend. Es dauert manchmal lange, bis man sich zu der schmerzhaften Einsicht durchgerungen hat, dass man genau an diesem Punkt steht. Und vielleicht verpasst man die Zeit, von sich aus zu dieser Einsicht zu kommen und wird stattdessen von aussen dazu gezwungen. Denn die Axt, die uns fällen will, weil jemand der Meinung ist, dass wir nur den Platz, auf dem wir stehen, unbrauchbar machen, ist in solchen Situationen bedrohlich nahe. Es muss dies nicht einmal die Axt eines Arbeitgebers oder eines Familienangehörigen sein, es kann auch die einer Krankheit oder sonst eines Unglücks sein. Weil die Welt, in welcher wir leben eine ist, die vom ökonomischen Kalkül bestimmt ist, ist die Axt, die uns fällen will, dann, wenn wir die geforderte Leistung nicht bringen, stets nahe. Allerdings spricht unsere Gleichnis von einer bestimmten Chance, nämlich von der Chance, dass es eine Wahl gibt, ob wir umgehauen werden oder ob wir es nochmals versuchen können. Umgehauen werden wir nämlich, wenn wir im gewohnten Stil weiterfahren, ohne ernsthaft etwas zu unternehmen, dass sich unsere Situation ändert und wir fruchtbar werden. Versuchen können wir es jedoch dann noch einmal, wenn wir ein ernsthaftes Engagement zur Veränderung erbringen. Die Wahl zwischen diesen beiden Optionen ist unsere Chance. Sie eröffnet uns die Tür, durch die wir unsere schwierige Lebenssituation verlassen und in eine andere Art von Leben eintreten können: in die Art von Leben, die von der Ökonomie Gottes bestimmt ist.
Die Ökonomie Gottes ist gleichsam eine Ökonomie ohne Ökonomie. Wie jede Ökonomie ist auch sie davon bestimmt, die knappen Ressourcen im Wettbewerb mit andern Zielen – hier
sind es die weltlichen Ziele, die in Konkurrenz stehen – maximal zu nutzen und ihre Ziele zu erreichen; doch ist sie von der Präferenz geleitet, sich von einer produktiven Kraft leiten zu lassen, die ihren Nutzen in sich selbst hat: vom Heiligen Geist. Anders als weltliche Produktivkräfte hat der Heilige Geist nicht einen von ihm selbst getrennten Nutzen. Es ist nicht eine Funktion von etwas, er ist vielmehr zugleich Mittel und Zweck; denn der Heilige Geist ist in der göttlichen Ökonomie die Kraft der Kreativität, die Kraft der Neuschöpfung, die Kraft, die die Wirklichkeit annimmt, wie sie ist, und werden lässt, was sie werden muss. Der Heilige Geist ist der Innbegriff der göttlichen Lebendigkeit und Ursprünglichkeit, aus der die Wirklichkeit wird, was sie ohne Gewalt und Manipulation natürlicherweise und ungekünstelt ist. Als solches aber ist sein Werken nichts anders als der gewünschte Nutzen. Er selbst ist das Ziel. Wo der Heilige Geist wirkt, dort geschieht die Vollendung. Genau dies aber führt dazu, dass der Heilige Geist sowohl im ökonomischen Kalkül steht als auch ausserhalb desselben: Insofern er einen Nutzen hat, steht er darin, insofern er keinen von ihm unabhängigen Nutzen hat, steht er nicht darin. Er ist die Grösse, die die Ökonomie ohne Ökonomie kreiert. Unser Predigttext will uns genau diese Ökonomie ohne Ökonomie, die durch den Heiligen Geist gegeben ist, zu Bewusstsein bringen. Er will uns daran erinnern, dass wir nicht dazu verdammt sind, in einer unbefriedigenden Situation zu verharren, sondern dass wir immer auch die Wahl (und die Verantwortung) haben, uns neu zu orientieren und dass wir die Chance haben, uns nicht irgendeiner weltlichen Ökonomie zu unterwerfen, sondern dass uns immer auch die Möglichkeit gegeben ist, uns auf die Lebendigkeit des Heiligen Geistes einzulassen und die spezielle Ökonomie Gottes zu erfahren. Entscheidend ist einfach, was unsere Präferenz ist. Es ist allerdings schon so, dass mit der Wahl der göttlichen Ökonomie unser bisheriges ökonomisches Kalkül neu geordnet wird. Es kann durchaus sein, dass Karriere, Prestige sowie materielle und andere Sicherheit in den Hintergrund treten, stattdessen aber ein Leben aus der unmittelbaren Lebendigkeit bedeutsam wird, ein Leben, das den Nutzen genau in der Schönheit dieser Lebendigkeit sieht, in der Freude an Kreativität, in der Harmonie mit den kosmischen Gesetzen, in der Gerechtigkeit und im Frieden unter allen Lebewesen und das die knappen Ressourcen dafür einsetzt, dass diese Art von Nutzenmaximierung geschieht. Dann ist zwar nach wie vor das ökonomische Kalkül am Wirken, jedoch in einer Weise, dass der Nutzen genau im Leben aus dieser ursprünglichen Lebendigkeit des Heiligen Geistes erkannt und verwirklicht wird, im Leben also, das die Ökonomie ohne Ökonomie realisiert. Möglichkeiten, dies zu leben, bietet der Alltag unzählige. Zum Beispiel in der Liebe. Liebt man einen andern Menschen, sieht man ihn zugleich als Mittel und Zweck; denn dann erblickt man seinen Wert bereits in seiner Gegenwart und nicht erst in der Leistung, die er erbringt, und man ist fähig, seine Menschenwürde bedingungslos und ohne Berechnung seines Nutzens anzuerkennen. Ähnliches geschieht in der Kunst: Kann man ein Kunstwerk als Kunstwerk wahrnehmen, ist es zugleich Mittel und Zweck. Man sieht seinen Nutzen in ihm selbst und nicht erst in Bezug auf seinen Marktwert. Dies ist der Fall, ob das Kunstwerk die Zeichnung eines kleinen Kindes oder das einer grossen Künstlerin ist. Ein Kunstwerk trägt seine Bedeutung in sich und wird nicht erst durch eine wortgewaltige Interpretation bedeutsam. Wo immer der Sinn in der Sache selbst und nicht erst in seiner Funktionalität realisiert wird, ereignet sich, was ich hier die Ökonomie ohne Ökonomie, die Ökonomie Gottes, genannt habe. Wenn wir heute Pfingsten feiern, sind wir eingeladen, uns auf den Weg dieser Ökonomie zu begeben und den Wert in den Dingen selbst zu sehen. Oder um mit Angelus Silesius zu sprechen: „Die Ros ist ohn Warum: sie blühet, weil sie blühet, sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie sieht.“ Beten wir also, dass auch wir unsere geistigen, emotionalen und körperlichen Bedürfnisse vom Heiligen Geist modellieren lassen und die Rose werden, die ihren Nutzen in sich selbst trägt und nicht nach ihrem Warum fragt. Amen.

Pfingstpredigt vom 27. Mai 2007 in Wabern
Bernhard Neuenschwander

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