Cosmological faith

Cosmological faith

Am folgenden Tag, als jene unterwegs waren und sich der Stadt näherten, stieg Petrus um die sechste Stunde auf das Dach des Hauses, um zu beten. Da wurde er hungrig und wünschte etwas zu essen. Während man etwas zubereitete, geriet er in Ekstase, und er sah den Himmel offen und eine Art Gefäss herabkommen, wie ein grosses Leinentuch, das an seinen vier Enden gehalten auf die Erde herabgelassen wird. Darin befanden sich alle möglichen Vierfüssler und Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels. Und eine Stimme ertönte und sagte zu ihm: Steh auf, Petrus, schlachte und iss! Petrus aber sprach: Auf keinen Fall, Herr! Noch nie habe ich etwas Gemeines oder Unreines gegessen. Und wiederum ertönte die Stimme und sagte ein zweites Mal zu ihm: Was Gott für rein erklärt hat, das nenne du nicht unrein. Dies geschah noch ein drittes Mal, dann aber wurde das Gefäss in den Himmel hochgezogen. Apg 10,9-16

Gott ist das Geheimnis, dass es etwas gibt und nicht nichts. Das Staunen über dieses Wunder hat kein Ende. Die poetische Sprache des Glaubens erzählt deshalb von Gott, dem Schöpfer, der Himmel und Erde gemacht hat. Sie besingt das grosse Werk seiner Hände, und sie gibt sich überzeugt, dass die Information Gottes, seine Liebe und Weisheit, der Code ist, durch welchen dieses Universum geschieht. Durch diese Information hat sich das Universum in sein Dasein geworfen, hat sich in Milliarden von Jahren zu dem entwickelt, was es heute ist, und hört nicht auf, sich selbst weiter zu verwirklichen. Jeder Augenblick ist von ihr durchdrungen, in allen Zufällen ist sie gegenwärtig, ständig entwickelt sie sich weiter und führt den grossen Prozess der Evolution fort. Der Glaube an Gott den Schöpfer gibt dem Staunen darüber einen Namen. Er verweist auf jenen nicht-dualen Referenzpunkt, der sich in jeder Dualität zeigt, staunen macht und in das Geheimnis der Gegenwart holt.

Doch dieses Staunen ist fragil und geht in den Leiden und Freuden des täglichen Lebens nur allzu rasch verloren. Wie leicht ist es doch, das Geheimnis, dass es etwas gibt und nicht nichts, mit eigenen Themen zu übersteuern und sich in die Dinge zu verstricken! Dabei ist die Selbstverwirklichung der Information Gottes auch meine Selbstverwirklichung. Ihr zu folgen, ist meine Erlösung, sie zu erkennen und in meinem Leben umzusetzen, ist die Befreiung zu meinem eigenen Leben. Doch statt ihr zu folgen, suche ich die Verwirklichung meiner eigenen Interessen, igle mich in meiner eigenen Bubble ein und verstehe nicht, dass die Selbstverwirklichung, in welcher ich stehe, das ganze Universum umfasst. Die Rede von Gott als dem Schöpfer von Himmel und Erde verweist zwar auf das ganze Universum. Sie impliziert, dass dieses Universum durch Gottes Information geschieht und dass dies zu realisieren, meine Selbstverwirklichung ist. Nur fällt mir offenbar schwer, in jener nicht-dualen Unbedingtheit zu denken, zu fühlen und zu leben, in der dies geschieht, und mein eigenes Leben in Tat und Wahrheit mit jenem grossen Prozess der Selbstverwirklichung der Information Gottes zu synchronisieren.

Das Thema, das damit angesprochen ist, ist alt. Es hat die Autoren der biblischen Schöpfungsgeschichte und der Psalmen beschäftigt, es prägt auch das Buch Hiob. Das Neue Testament versucht noch einmal einen anderen Ansatz. Es erzählt die Geschichte von Jesus Christus. Es ist davon überzeugt, dass in dieser Geschichte die Information von Gott, dem Schöpfer, aufblitzt und sich im Leben und Sterben dieses Menschen beispielshaft offenbart. Ihr zu folgen ist deshalb der Schlüssel, um jenen Prozess zu realisieren, in welchem sich Gottes universale Information verwirklicht und der Mensch zu seiner eigenen Selbstverwirklichung gelangt. Wie dies konkret vonstattengehen kann, illustriert unser Predigttext.

Er steht in einer längeren Geschichte, in welcher Petrus wider seinen Willen begreifen muss, dass er die Botschaft von Jesus Christus, dem Nazarener, in kosmologischen Dimensionen zu denken hat, dass sie nicht nur Juden gilt, sondern auch Menschen ohne jüdische Sozialisation, und dass er deshalb seinen Glauben öffnen und sein Handeln verändern muss. In der ersten Szene dieser Geschichte ist der römische Hauptmann Kornelius Hauptfigur (Apg 10,1-8). Kornelius ist in Cäsarea stationiert. Er samt seinem ganzen Haus ist fromm und gottesfürchtig, gibt Almosen und betet viel zu Gott. In einer Vision erscheint ihm ein Engel Gottes und gibt ihm den Auftrag, im etwa 50km entfernten Joppe einen gewissen Simon Petrus holen zu lassen. Notiert wird, dass er den Auftrag sogleich ausführt.

Hier setzt unser Predigttext ein und erzählt die zweite Szene der Geschichte. Sie berichtet zunächst von den Männern, die noch unterwegs sind und sich Joppe nähern, während der Blick auf Petrus schwenkt (V9). Es ist die sechste Stunde, also Mittagszeit, und Petrus steigt auf das Dach des Hauses, um zu beten. Er merkt, dass er hungrig wird und wünscht sich etwas zu essen (V10). Während im Haus für ihn etwas zubereitet wird, gerät er in Ekstase und hat eine Vision (V11).

Er sieht den Himmel offen und vom Himmel eine Art Gefäss herabkommen. Es ist wie ein grosses Leinentuch kosmischen Ausmasses. Gehalten wird es an den vier Enden des Kosmos, und von dort wird es auf die Erde herabgelassen. Petrus erkennt, was sich darin befindet (V12): alle möglichen Vierfüssler und Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels. Die Formulierung erinnert an die Geschichte der Schöpfung (Gen 1,24.26.39) und gibt zu bedenken, dass alle Tiere der Erde und des Himmels von Gott geschaffen sind.

Da ertönt eine Stimme, die zu Petrus spricht (V13). Woher die Stimme kommt, wird nicht gesagt. Im Kontext wird man sie als Stimme des Himmels zu verstehen haben. Die Stimme spricht Petrus mit seinem Namen an und gibt ihm klare Anweisungen. Er solle vom Gebet aufstehen, die Tiere schlachten und essen. Petrus erscheint dies zunächst wie eine Versuchung, seinen konkreten Hunger auf diese Weise zu stillen (V14). Zwar antwortet er respektvoll und spricht die Stimme mit «Herr» an. Doch gibt er ihr entschieden zu verstehen, dass er dies auf keinen Fall tue. Zur Begründung verweist er darauf, dass er sich bislang durchwegs gesetzeskonform verhalten habe. Noch nie habe er etwas Gemeines oder Unreines gegessen. Die Verdoppelung zeigt, dass ihm die Gesetzestreue wirklich am Herzen liegt. Doch da ertönt die Stimme und spricht ein zweites Mal zu ihm (V15). Sie sagt ihm, dass das, was Gott für rein erklärt, er, Petrus, nicht unrein nennen soll. Die Stimme interpretiert damit, was das Bild andeutet.

Gott, der Schöpfer, hat alles rein gemacht. Es ist deshalb nicht an Petrus, für unrein zu erklären, was Gott geschaffen hat. Die Schöpfungsperspektive steht im Vordergrund, in welcher die Unterscheidung von rein und unrein bedeutungslos ist. Paulus wird demgegenüber jene Welt in Blick nehmen, in welcher das Staunen über Gott den Schöpfer verloren gegangen ist, sich der Mensch zum Abbild von Vögeln, Vierfüsslern und Kriechtieren macht und der Unreinheit preisgibt (Röm 1,22-24). Bei ihm wird die Pointe sein, dass Gott ebenso im Reinen wie im Unreinen gegenwärtig ist. Unser Predigttext hält indes fest, dass sich das Geschehen, das Petrus in der Ekstase erlebt, ein drittes Mal wiederholt (V16). Betont wird damit, dass Petrus nicht einer teuflischen Versuchung ausgesetzt ist, dass er vielmehr Gottes Stimme vernimmt und die Unterscheidung von rein und unrein tatsächlich bedeutungslos ist. Zum Schluss wird festgehalten, dass das Gefäss, das ist wie ein Leinentuch, wieder in den Himmel hochgezogen wird.

Die Fortsetzung berichtet dann, dass die Männer, die Kornelius geschickt hat, bei Petrus vorstellig werden, dass Petrus zu Kornelius kommt und begreift, dass die Offenbarung, die ihm widerfahren ist, genau hier und jetzt zur Anwendung kommt (Apg 10,17ff). Petrus beginnt also zu verstehen, dass sein Glaube eine kosmologische Dimension hat, auf Gott, den Schöpfer von Himmel und Erde, ausgerichtet sein will und dass er sein Handeln entsprechend korrigieren muss.

Für uns, die wir heute über diesen Predigttext nachdenken, ist interessant, wie hier am Beispiel von Petrus der bedeutungsvolle Entwicklungsschritt des Urchristentums erzählt wird, der für das Christentum so weitreichende Folgen gehabt hat: der Schritt zu einem umfassenden, kosmologischen Verständnis des christlichen Glaubens. Unser Predigttext macht von diesem Prozess verschiedene Aspekte deutlich.

Zunächst zeigt er, dass dieser Entwicklungsschritt eine Herausforderung ist. Petrus als frommer Jude wird durchaus mit der Vorstellung von Gott als dem Schöpfer von Himmel, Erde und Meer vertraut gewesen sein (vgl. Apg 4,24). Besinnt er sich auf seinen jüdischen Glauben, referenziert er jedoch auf David (Apg 1,16; 2,25), die Propheten (Apg 2,15), den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs, den Gott unserer Väter (Apg 3,13) oder Mose (Apg 3,22). Es bedarf der Stimme vom Himmel, um ihn davon zu überzeugen, dass die Unterscheidung zwischen rein und unrein bedeutungslos ist und alles, was es gibt, von Gott geschaffen ist. Insofern ist nachvollziehbar, dass sich Paulus daran orientiert, dass die Welt von den Menschen nicht als Schöpfung gesehen wird. Dennoch wird er vor dem Zeustempel in Lystra (Apg 14,15ff) oder auf dem Aeropag in Athen (Apg 17,24ff) genau dies in Anschlag bringen. Die Fokussierung auf die Erlösung des Menschen rekurriert zwar sowohl bei Petrus wie bei Paulus zunächst auf die Heilslehre der eigenen Tradition. Doch zeigt sich bei beiden, wenn auch auf unterschiedliche Weise, dass der christliche Glaube nicht darauf eingegrenzt werden darf, sondern zur Selbstüberschreitung drängt und eine kosmologische Perspektive sucht. Die Herausforderung bleibt freilich, diesen Schritt tatsächlich zu vollziehen.

Der Glaube an Gott, den Schöpfer dieses Universums, ist das bis heute uneingelöste Potential der christlichen Botschaft. Indem es Petrus aufgeblitzt, begreift er, dass es eine kosmologische Dimension hat und auch dem nichtjüdischen Hauptmann gilt, dass es bei Gott kein Ansehen der Person gibt (Apg 10,34) und dass es deshalb allen Menschen offensteht. Für Paulus ist es die Grundlage, um zwischen Gott und Welt zu unterscheiden und die Welt nicht zu vergöttlichen (vgl. Apg 14,15ff; 17,24ff). Beide Aspekte sind wichtig: Zum einen schafft der Glaube an den Schöpfergott, der jeden Moment gegenwärtig ist, eine alle Menschen verbindende Perspektive. Er relativiert die Identifikation mit Biographie, Geschlecht, Alter, Gesundheit, gesellschaftliche Stellung, Tradition, Nationalität, ja auch mit Religion und verweist stattdessen auf jene kosmologische Mystik, die sich dem Staunen, dass es überhaupt etwas gibt und nicht nichts, verdankt. Zum andern sorgt er dafür, dass die Schöpfung von Metaphysik geläutert und nicht vergöttert wird. Beides will beachtet sein: Gott, das Geheimnis des Universums, offenbart seine Information der Liebe und Weisheit im ganzen Kosmos, ist ungetrennt von ihm und nimmt ihn in seine erlösende Selbstverwirklichung hinein. Doch folgt dieser Prozess seiner eigenen, nicht-dualen Freiheit, die sich mit dem Kosmos nicht vermischt und in menschlichen Skalen nicht zu fassen ist.

Unsere postchristliche Zeit tut gut daran, die Herausforderung zu ergreifen und das Staunen über das Geheimnis dieses Universums nicht zu verlieren, sich stattdessen darauf einzulassen, seine Information wahrzunehmen und sich von ihm leiten zu lassen. Jeder Moment bietet dazu Gelegenheit. Jeder Moment birgt das Geheimnis der Gegenwart, jeder Moment verweist auf jenes Geheimnis des Universums, das der christliche Glaube Gott, den Schöpfer von Himmel und Erde, nennt. Das Staunen ist die Tür, um mit seiner Information in Kontakt zu kommen. So entsteht Heilung und Klarheit, Freiheit und Einsicht. Im Staunen über das Geheimnis dieser Information weiss ich mich mit allem verbunden, erkenne meine Mächtigkeit und meine Verantwortung, aber vergesse nicht, dass ich mich diesem Geheimnis jeden Moment verdanke und dass dessen Wille mein Wille werden will. Lass ich mich davon leiten, kämpfe ich nicht gegen die Evolution und ihren Zufall, sondern integriere mich in sie und vertraue auf die Information der Liebe und Weisheit, die sich darin verwirklichen will. Sich darauf zu besinnen und die eigene kleine Bubble zu überschreiten, tut gerade in unserer postchristlichen Zeit not.

Heute plagen Zukunftsängste, Unsicherheiten liegen in der Luft, und die Zuversicht steht unter Illusionsverdacht. Das Staunen über das Geheimnis dieses Universums weitet demgegenüber den Blick. Es verbindet mit der Information, die in diesem Universum waltet, die in Fragilität, Leiden und Tod gegenwärtig bleibt und die nicht aufhört, sich in ihrer Liebe und Weisheit zu verwirklichen. Dies wahrzunehmen, heilt, dies zu leben, macht glücklich. Beten wir deshalb, dass uns das Staunen den Weg zu dieser Information weist und wir ihr mit Vertrauen folgen. Amen.

Predigt vom 14. Januar 2024 in Wabern
Bernhard Neuenschwander

PDF Datei herunterladen