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Am folgenden Sabbat versammelte sich fast die ganze Stadt, um das Wort des Herrn zu hören. Als die Juden die Scharen sahen, wurden sie eifersüchtig; sie widersprachen dem, was Paulus sagte, und lästerten. Paulus und Barnabas aber sagten offen heraus: Euch musste das Wort Gottes zuerst verkündigt werden; da ihr es aber von euch weist und euch damit des ewigen Lebens unwürdig erweist, nun – so wenden wir uns an die anderen Völker. Denn so hat uns der Herr geboten: Zum Licht für die Völker habe ich dich bestellt, damit du zur Rettung werdest bis an die Enden der Erde. Als die Heiden das hörten, freuten sie sich und priesen das Wort des Herrn; und alle, die zum ewigen Leben bestimmt waren, kamen zum Glauben. Und das Wort des Herrn wurde weitergetragen durch das ganze Land. Die Juden aber hetzten die angesehenen gottesfürchtigen Frauen und die Vornehmen der Stadt auf und brachten es so weit, dass es zu einer Verfolgung von Paulus und Barnabas kam; und man verjagte sie aus dem Gebiet. Die aber schüttelten vor ihren Augen den Staub von ihren Füssen und zogen weiter nach Ikonium. Und die Jünger wurden erfüllt von Freude und heiligem Geist. Apg 13,44-52 

Die Gegenwart Gottes schafft Gemeinschaft – eine Gemeinschaft, die nichts als die Freiheit des Moments teilt und die erfüllt ist von deren Liebe und Weisheit. Sie identifiziert sich nicht mit Alter, Geschlecht oder Hautfarbe, Gesundheit, sozialem Status oder kultureller Herkunft, und sie definiert sich nicht über Programme, Ideologien, Interessen oder Ziele. Die Gegenwart Gottes schafft Verbundenheit einzig und allein durch ihre bedingungslose Präsenz, von selbst, aus purer Gnade. Sie ist jeden Moment da, lässt man sie nur da sein. Ständig erfüllt sie den Moment mit ihrer Liebe zur Weisheit. Sie lässt die Würfel fliegen, spielt, tanzt und singt, und sie freut sich an der Unvorhersehbarkeit des Spiels. Wer sich auf die Gegenwart Gottes einlässt, spielt mit Freude in der grossen Spielgemeinschaft dieses Universums, sucht Wege, die sich bewähren, und weiss, dass Glück und Pech zum Spiel gehören. Diese Gemeinschaft verdankt sich klar und unaufgeregt der Gegenwart Gottes, in welcher sie die Freude am gemeinsamen Spiel teilt und zur Gemeinschaft wird.

Eine Gemeinschaft, die auf diese Weise geschieht, ist aus sich selbst attraktiv. Sie tut Körper und Seele gut, lässt Luft zum Atmen und schafft doch Verbundenheit. Ihre Ränder sind offen. Sie weiss, dass das Mitspielen zuweilen schwerfällt, dass Verstrickungen gefangen halten und der Gegenwart Gottes im Weg stehen können. Sie weiss aber auch, dass das Mitspielen manchmal ganz von selbst geschieht und nichts so beglückend ist, wie die Verbundenheit in der Freiheit der Gegenwart Gottes. Ihr liegt deshalb fern, einen Gemeinschaftscode, etwa politische Symbole, zu nutzen, Druck und Zwang auszuüben und mit Angst vor Strafe zu hantieren. Viel eher gibt sie Anreiz, freiwillig teilzunehmen. Sie vertraut auf die Attraktivität der Gegenwart Gottes, die sie begründet, die Liebe und Weisheit, die sie erfüllt, und die Freude, mit der sie spielt. Wer sich auf diese Gemeinschaft einlassen will, ist willkommen. Niemand ist ausgeschlossen. Das Spiel der Gegenwart Gottes geschieht, solange es dieses Universum gibt, und es beginnt doch ständig von neuem. Jeder Moment ist eine Gelegenheit, einzusteigen, jeder Moment bringt sie ins Hier und Jetzt. Eine Gemeinschaft, welche durch das Teilen der Gegenwart Gottes gebildet wird, ist attraktiv. Ob ich mich darauf einlasse, ist indes stets mir überlassen.

Unser Predigttext wirbt mit einer solchen Gemeinschaft. Er macht jedoch auch den Widerstand deutlich, der ihr entgegenschlagen kann. Versuchen wir zu verstehen, was er über eine Gemeinschaft, die sich einzig und allein der Gegenwart Gottes verdankt, zu bedenken gibt.

Protagonist ist Paulus, der zusammen mit Barnabas am Sabbat vorige Woche an einem Gottesdienst in der Synagoge von Antiochia in Pisidien teilgenommen und eine lange Predigt gehalten hat. Seine Botschaft an die Leute ist offensichtlich angekommen. Jedenfalls haben sie ihn gebeten, am kommenden Sabbat weiterzufahren (Apg 13,16-43).

Hier setzt unser Predigttext ein. Die Woche ist vergangen, es ist Sabbat (V44). Fast die ganze Stadt versammelt sich in der Synagoge, um – wie es nun heisst – das Wort des Herrn zu hören. Was damit gemeint ist, ergibt sich aus der Predigt, die Paulus am vergangenen Sabbat gehalten hat: dass die Verheissung der bedingungslosen Gegenwart Gottes nun in Erfüllung geht und alle, die sich darauf einlassen, ob Juden oder Heiden, zu einer grossen Gemeinschaft verbindet. Auf jüdischer Seite löst diese Botschaft Widerstand aus (V45). Als Grund wird die Eifersucht angegeben. Als sie die Scharen sehen, die auf einmal in die Synagoge strömen, um Paulus zu hören, werden sie eifersüchtig, widersprechen dem, was Paulus sagt, und lästern. Paulus und Barnabas aber halten ihnen entgegen (V46). Freimütig wie Paulus auch früher in Jerusalem aufgetreten ist (Apg 9,28), sagen die beiden auch jetzt, was aus ihrer Sicht Sache ist: dass das Wort Gottes zuerst den Juden verkündet werden muss, da es diese indes ablehnen und sich damit des ewigen Lebens unwürdig erweisen, wendet sich die Botschaft an die Heiden. Unterstellt wird also, dass jene Gemeinschaft, die durch das Teilen der Gegenwart Gottes gebildet wird, vom Judentum ausgeht. Insofern es sich jedoch der Bildung dieser Gemeinschaft entgegenstellt, wird sie von Heiden getragen. Mit einem Verweis auf ein Prophetenwort, soll das Argument untermauert werden (V47). Paulus und Barnabas zitieren nämlich einen Gedanken aus einem Gottesknechtslied (Jes 49,6). Gott sagt da, dass er den Gottesknecht zum Licht für die Völker bestellt hat, damit er zur Rettung wird bis an die Enden der Erde. Lukas erzählt in seinem Evangelium, dass diese Verheissung in Jesus in Erfüllung gegangen ist (Lk 2,32), und Paulus verkündet in seiner Predigt, dass in Christus alle frei von ihren Verstrickungen werden, die an die bedingungslose Gegenwart Gottes glauben (Apg 13,39). Im Blick ist also jene universale Spielgemeinschaft, die einzig und allein durch die bedingungslose Gegenwart Gottes gebildet ist. Vom Judentum soll diese Gemeinschaft ausgehen, doch insofern es sich deren bedingungslosen Verankerung in der Gnade der Gegenwart Gottes entgegenstellt, macht es sich selbst zum Hindernis.

Die Resonanz auf diese Botschaft ist zwiespältig. Die Heiden auf der einen Seite freuen sich (VV48-49). Sie preisen, was da als Wort des Herrn verkündet wird; alle, die zum ewigen Leben bestimmt sind, kommen zum Glauben. Von Prädestination ist nicht die Rede, klar ist es dennoch: Die Gemeinschaft der Gegenwart Gottes steht allen offen, doch ist ihre Freiheit im Zufall bedingungslos. Die Frage, wer mit Freude in dieser Gemeinschaft mitspielt, ist mit kausalen Erklärungen nicht zu beantworten. Das Wort des Herrn wird indes durchs ganze Land weitergetragen. Die Juden auf der anderen Seite blasen derweil zum Widerstand (V50). Sie bearbeiten die angesehenen, gottesfürchtigen Frauen, die der Synagoge nahestehen, sowie die Vornehmen der Stadt und bringen diese so weit, dass Paulus und Barnabas verfolgt und aus ihrem Gebiet verjagt werden. Die beiden aber lassen sich nicht beirren (V51). Wie Jesus seinen Jüngern aufgetragen hat (Lk 9,5par), schütteln sie vor ihren Augen den Staub von ihren Füssen. Mit einem Lächeln machen sie damit deutlich, dass die soeben erfahrene Kritik so wenig an ihnen kleben bleibt wie der Staub an ihren Füssen. Zusammen ziehen sie weiter in das 140km östlich von Antiochia gelegene Ikonium. Die Bilanz über den Aufenthalt in Antiochia ist trotz allem positiv (V52). Denn festgehalten wird, dass die Jünger von Freude und heiligem Geist erfüllt sind. Zurück bleibt also eine Gemeinschaft, die in der Gegenwart Gottes die Freude am Spiel der Liebe zur Weisheit gefunden hat.

Die heutige Besinnung auf diesen Predigttext motiviert dazu, über eine durch die Gegenwart Gottes gebildete Gemeinschaft nachzudenken. Versuchen wir uns klarzumachen, was er uns zu bedenken gibt!

Zunächst erinnert er daran, was eine solche Gemeinschaft dem Judentum zu verdanken hat. Paulus hat in seiner Predigt ausdrücklich darauf Bezug genommen, und auch wir tun gut daran, es nicht zu vergessen. Das Judentum ist mit Gott über mehr als 3000 Jahre einen langen Weg gegangen, hat seine Gegenwart der Liebe und Weisheit gesucht und ist darin durch alle Irrungen und Wirrungen der Geschichte hindurch ein Volk geblieben. Es steht deshalb exemplarisch für eine Gemeinschaft, die sich der Gegenwart Gottes verdankt und auf dieser Grundlage als Gemeinschaft zu funktionieren versucht. Die christlich geprägte, abendländische Kultur hat das in ihrer Geschichte allzu oft aus dem Blick verloren und «die Juden» zum Sündenbock für eigene, ungelöste Probleme gemacht. Das erneute Aufflammen antisemitischer Aggressionen in westlichen Gesellschaften seit dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2022 macht deutlich, dass dieser Mechanismus in dieser postchristlichen Zeit nichts an Aktualität verloren hat. Nehmen Spannungen und Verwerfungen in den westlichen Gesellschaften zu, ist bis heute verführerisch, «den Juden» die Schuld zuzuweisen und sich aus der eigenen Verantwortung zu stehlen. Unser Predigttext macht genau dies nicht. Er würdigt, dass eine Gemeinschaft, die durch ihre Verbundenheit in der Gegenwart Gottes gebildet wird, mit Dankbarkeit auf das Judentum zu blicken hat.

Allerdings geht eine solche Gemeinschaft über das Judentum hinaus. Die Wahl des 47. amerikanischen Präsidenten vor wenigen Tagen hat es deutlich gemacht: In dieser postchristlichen Zeit sind die westlichen Gesellschaften tief gespalten und schaukeln sich in ihren Gegensätzen immer weiter hoch. Ist indes das entscheidende gemeinschaftsstiftende Kriterium die Gegenwart Gottes, die aus Gnade mit ihrer Liebe und Weisheit gegenwärtig ist, öffnet sich der mittlere Weg zwischen links und rechts und werden identitäre Definitionen von Gemeinschaft dieser oder jener Provenienz vorläufig und relativ. Deshalb spricht Paulus ebenso Juden und Heiden an, deshalb verweist er auf den Glauben an Christus, um in ihm den inneren Meister der Gegenwart Gottes zu finden. Ihm geht es nicht um Exklusivität und Blasenbildung, sondern um jene Gemeinschaft, die aus purer Gnade geschieht und alle, die die Gegenwart Gottes im Glauben realisieren, zu einer grossen Spielgemeinschaft verbindet. Damit geht es zunächst um all jene Menschen, die in den Zufälligkeiten des Daseins die bedingungslose Freiheit der Gegenwart Gottes im Spiel erkennen, sich einzig und allein von deren Liebe und Weisheit leiten lassen und sich nicht in das Spiel verstricken oder verlieren. Doch ist diese Spielgemeinschaft nicht bloss eine Gemeinschaft von Menschen, sondern eine Gemeinschaft des ganzen Universums. Die Freiheit der Gegenwart Gottes blitzt in jedem Hier und Jetzt ohne Raum und Zeit auf, sie hinterlässt in den Zufällen der Evolution ihre Spuren, und sie bleibt das Unfassbare des Moments. Die bedingungslose Freiheit ist das Geheimnis einer universalen, mystischen Gemeinschaft.

Diese Freiheit der Gegenwart Gottes ist in dualen Kategorien nicht zu fassen, aber doch in jedem Hier und Jetzt gegenwärtig. Ihre nichtduale Präsenz mag unmittelbar evident sein, doch wird sie in Worten oder Taten von Menschen oder gar im Spiel der Evolution vermittelt, zerbricht sie augenblicklich in Scherben, die kein Ganzes ergeben. Menschliches Erkennen ist Stückwerk, wie in Splittern von Spiegeln, rätselhaft, fragmentiert. Bedingungslose Klarheit gibt es nur in der unmittelbaren Präsenz, gleichsam von Angesicht zu Angesicht, im Moment also, in dem ich mir selbst nicht mehr im Wege stehe, sondern durch und durch erkannt bin (vgl. 1Kor 13,9-12). Wie könnte da die grosse Spielgemeinschaft des Universums nicht ebenso rätselhaft und zersplittert sein? Unser Predigttext zeigt es: Jenes Judentum, das als Prototyp einer Gemeinschaft in der Gegenwart Gottes auserwählt ist, tut sich schwer, deren universale Dimension anzuerkennen. Weshalb? Für die einen ist evident, dass Gott bedingungslos in allem gegenwärtig und damit die Gemeinschaft seiner Gegenwart stiftet, für die andern ganz und gar nicht. Es mag Faktoren geben, die die Erfahrung dieser Evidenz wahrscheinlich machen, doch kausale Erklärungen gibt es keine. Die Freiheit Gottes vermittelt sich im Zufall – unerklärbar, gebrochen. Doch genau das ist mein Trost. Denn was könnte ich in Glück und Pech mehr finden wollen als die Erkenntnis, dass ich darin von der Freiheit der Gegenwart Gottes, seiner Liebe und Weisheit, erkannt bin?

Eine Gemeinschaft, welche die Gegenwart Gottes miteinander teilt, ist ein Segen. Sie leuchtet von Gnade und lässt sich im Spiel des Daseins von Liebe und Weisheit leiten. Doch eine solche Gemeinschaft kann nicht verordnet und durchgesetzt werden. Sie entsteht nur in Freiheit, in jener Freiheit, in der nichts als die Gegenwart Gottes geteilt wird. Beten wir also, dass wir eine solche Gemeinschaft sind und mit ihrer Spielfreude zum Mitspielen anstecken. Amen.

Predigt vom 17. November 2024 in Wabern
Bernhard Neuenschwander

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